Martin Verges
Aufklärung und
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 Digedags-Musicals

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Lindenberg-Musical - Urteile
 
2013  hat das Landgericht Berlin als erste Instanz entschieden [AZ: 16 O 486/12], dass das Musical "Hinterm Horizont" eine freie Bearbeitung meines Werkes darstellen würde.
Erstens wurde damit festgestellt, dass beide Werke in ihrer FABEL geschützt sind. Die Schöpfungshöhe ist ausreichend. Und zweitens wurde festgestellt, dass es einen Informationsfluss "VERGES > LINDENBERG > BRUSSIG" gegeben hatte. Nach Auffassung des Gerichts war es also egal, ob Herr Brussig mein Werk gekannt hat oder ob er nur dahin gelenkt worden ist.
Dass es eine "freie Bearbeitung" wäre, hat das Gericht dann mit Unterschieden zwischen beiden Werken begründet. Das ist urheberrechtlich falsch, denn es kommt beim Vergleich zweier Werke auf die Übereinstimmungen an, genauer: Auf die Übereinstimmungen in den Erfindungen.
Und bei den konkreten Unterschieden wurde es dann sehr merkwürdig. Denn der vorsitzende Richter, ein Herr Dr. Scholz, sah den Hauptunterschied darin, dass es in meinem Werk um den Loyalitätskonflikt eines Mädchens gehen würde, das sich zwischen zwei Männern entscheiden muss, und im Werk der Beklagten wäre das nicht so. Das ist sachlich falsch, denn im Werk "Hinterm Horizont" hat das Mädchen einen Freund, den sie sogar heiratet, was ja eindeutig ihre Entscheidung ist. Wesentlicher ist aber die Frage, warum das Thema "Treue eines Mädchens" ausgerechnet an der Person "Udo Lindenberg" abgehandelt werden muss. Und warum wird dazu extra eine Affäre vom Auftritt zum Mauerfall hergestellt? Nach Auffassung der Richter geht es in meinem Werk also um "Treue" und nebenbei auch ein bisschen um Udo Lindenberg, er ist zu diesem Hauptthema so eine Art "schmückende Zugabe".
Das ist eine völlig absurde Fehlinterpretation. Die Hauptlinie meines Werkes ist ohne Zweifel die Affäre vom Auftritt zum Mauerfall. Dass das Mädchen einen Freund hat, ist eine Nebenlinie, die nicht die Botschaft des Werkes trägt und die deshalb nicht zur Fabel gehört. Und das ist in beiden Werkes so. Literaturwissenschaftlich gesehen hat der Richter Dr. Scholz eine Nebenlinie der Handlung zur Hauptlinie der Fabel erklärt.

Die Richter waren nicht in der Lage, die Botschaft beider Werke zu erkennen und damit die tragenden von den marginalen Handlungsteilen zu unterscheiden. Die Richter waren also nicht in der Lage, FABEL und HANDLUNG zu unterscheiden. In einem Fall, in dem es zentral um den literaturwissenschaftlichen Fachbegriff der FABEL geht, ist das ein grober Fehler, der ein falsches Urteil nach sich zieht. Und das war dem Gericht nur möglich, weil kein Gutachter hinzugezogen wurde. Obwohl wir das mehrfach verlangt hatten.

Der Herr Lindenberg ist übrigens nicht zur Verhandlung erschienen.
 
 
2015  hat das Kammergericht Berlin als zweite Instanz entschieden [AZ: 24 U 3/14], ich hätte gar nichts erfunden, denn alles wäre "in der Realität angelegt". Der vorsitzende Richter, ein Herr Landwehrmeyer, hat geurteilt, die FABEL meines Werkes wäre nicht geschützt, weil die Bestandteile dieser FABEL in der Realität vorhanden wären.

Diese Einschätzung des Richters Landwehrmeyer ist literaturwissenschaftlich falsch. Die Bestandteile einer FABEL sind der STOFF. Natürlich kommt der Stoff in der Fabel vor, denn der Stoff ist das Material, aus dem die Fabel hergestellt wird. Der Stoff ist das Bau-Material und die Fabel ist der Bau-Plan, wie aus diesem Material ein Haus gebaut wird. Aus einem Haufen von LEGO-Steinen kann man viele verschiedene Autos, Häuser oder Eisenbahnen bauen. Entscheidend ist, wie diese Bausteine zusammengesetzt werden und mit welcher Absicht das geschieht. Ein Kuchen ist mehr als die Liste seiner Zutaten.
Literaturwissenschaftlich gesehen war der Richter Landwehrmeyer nicht in der Lage, STOFF und FABEL zu unterscheiden.

Dieses Urteil bedeutet praktisch, dass diese Fabel einer Affäre vom Auftritt zum Mauerfall jetzt gemeinfrei ist. Nach Auffassung der Richter darf also jeder Autor ein Lindenberg-Musical schaffen, in dem bei diesem Auftritt 1983 eine Affäre beginnt und sich die Figuren beim Mauerfall wiederbegegnen. Auch alle ausformenden Erfindungen wie "FDJ-Hemd bei der ersten Begegnung" und "Reise zum Liebesrausch" wären - sogar in ihrer Summe - von jedem Autor frei nutzbar, denn das alles ist "in der Realität angelegt". Mit dieser Begründung verliert also auch das Musical "Hinterm Horizont" den Schutz seiner Fabel.

Mit dieser Begründung "in der Realität angelegt" verlieren aber auch viele andere Werke den Schutz ihrer Fabel. Denn alle Werke, die reale Ereignisse aufgreifen, sind jetzt in ihrer Fabel gemeinfrei. Unabhängig davon, wie diese Ereignisse verarbeitet werden und unabhängig von der Botschaft, die insgesamt mit dem Werk vermittelt wird.
Mit dieser Gummi-Begründung "in der Realität angelegt" haben die Richter den Fabelschutz in Deutschland deutlich eingeschränkt, wenn nicht sogar gänzlich ausgehebelt. Denn welches Drehbuch, welcher Roman, welches Theaterstück wäre nicht "in der Realität angelegt"? Es gibt bei nahezu jedem Werk "Anlagen in der Realität".
Es geht also nicht mehr um eine konkrete Fabel mit einer konkreten Botschaft, sondern es genügt eine völlig nebulöse und undefinierte "Anlage in der Realität", um einer Fabel den urheberrechlichen Schutz abzusprechen. Nach diesem Urteil ist eine FABEL nur dann geschützt, wenn auch der STOFF erfunden ist. Damit wurde der Schutz der FABEL abgeschafft. Extra für Herrn Lindenberg. Und das gilt jetzt für alle Autoren, auch für Herrn Brussig und seine Romane, denn die bauen ja auch auf der Realität auf. Prost!

Krönung des Urteils war dann, dass die Richter sogar die nachgewiesene Informationskette "VERGES > LINDENBERG > BRUSSIG" angezweifelt haben. Es wäre nach Auffassung der Richter auch möglich, dass Herr Brussig zufällig dieselben Lösungen gefunden haben könnte. Dass Herr Brussig nachgewiesenermaßen erst zu dieser FABEL hingelenkt worden ist, diese Tatsache haben die Richter einfach ignoriert.

Es sei noch erwähnt, dass auch in der zweiten Instanz kein Sachverständiger hinzugezogen wurde und Herr Lindenberg auch nicht zur Verhandlung erschienen ist.
 
 
2016 hat es der BGH abgelehnt [AZ: I 116/15], sich mit dem Fall zu befassen. Der vorsitzende Richter Prof. Dr. Büscher hat das nur mit ganz allgemeinen Formulierungen begründet. Ich halte diese Ablehnung des Falles für eine grobe Pflichtverletzung der Richter. Denn:
  1. Eine erfundene Fabel ist geschützt. Das ist juristisch ohne Einschränkung festgelegt. Aber es gibt die offene Rechtsfrage "Was ist eine Fabel?" bzw. "Wie ist die Fabel literaturwissenschaftlich definiert?" Diese Frage hätte höchstrichterlich geklärt werden müssen.

  2. Es gibt einen Vergleichsfall ["Die Päpstin", LG Hamburg GRUR-RR 2003, 233]. In diesem Fall hatte ein Autor reale Ereignisse bzw. eine freie Historie genutzt und darauf aufbauend etwas erfunden, was von einem anderen Autor später übernommen worden ist. Das Landgericht Hamburg hat hier geurteilt, dass die Historie natürlich gemeinfrei ist, die auf dieser Realität aufbauenden Erfindungen des ersten Autors aber geschützt sind.
    Es gibt also ein exakt gegensätzliches Urteil bei gleichem Tatgeschehen. Daraus ergibt sich für den BGH die Pflicht, die Einheitlichkeit der Rechtssprechung wiederherzustellen.

  3. Sämtliche Urteile im Fall "Lindenberg-Musical" sind ohne Sachverständigen und damit ohne irgendeine wissenschaftliche Grundlage gefällt worden. Die Gerichte müssen aber auf der Grundlage der Wissenschaft entscheiden. Und das ist der dritte Grund, weshalb sich der BGH mit dem Fall hätte befassen müssen.
 
Deshalb habe ich beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde eingereicht [AZ: 1 BvR 2092/16]. Vielleicht möchte der über diesen Fall nachdenkende Richter Prof. Dr. Paulus diesem rechtsverdrehenden und unwissenschaftlichen Spuk ein Ende bereiten.
Die Gelegenheit hat er.