Martin Verges
Aufklärung und
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 Digedags-Musicals

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Lindenberg-Musical - FABEL
 
Eine erfundene FABEL ist urheberrechtlich geschützt. Was ist eine FABEL? Was ist eine FABEL im Unterschied zum STOFF und im Unterschied zur HANDLUNG?
  1. Der STOFF sind einzelne Ereignisse, Motive oder Episoden, die oft in der Realität vorkommen. Aus diesem Material von Bruchstücken schafft der Autor die FABEL, ein geschlossenes dramatisches Geschehen mit Anfang, Mitte und Ende.
    Der Autor bringt die realen Ereignisse, Motive oder Episoden in eine ganz bestimmte, geschlossene dramatische Struktur, weil er damit eine ganz bestimmte BOTSCHAFT transportieren möchte.
     
  2. Die HANDLUNG umfasst alle Ereignisse des Stückes. Die FABEL sind aber nicht alle Ereignisse, sondern nur die wichtigen, die tragenden Teile. Zur FABEL gehören nur diese Teile der Handlung, die die BOTSCHAFT des Werkes tragen. Alle anderen Teile der Handlung, also Nebenlinien und Ausformungsdetails, gehören nicht zur Fabel.
Also ist die BOTSCHAFT eines Werkes für dessen FABEL entscheidend.
Um die FABEL festzustellen, muss die BOTSCHAFT des Werkes untersucht werden.
 
 
Die Botschaft meines Werkes ist ganz eindeutig:
Udo Lindenberg hat einen wichtigen und konkreten Beitrag zum Mauerfall geleistet.
War das in der Realität so? Nein. Udo Lindenberg trat beim Mauerfall nicht in Erscheinung.
Diese BOTSCHAFT ist neu. Es gab vor 2005 kein Werk mit dieser Botschaft.
 
Wie wurde der STOFF zu einer FABEL verarbeitet, mit der diese Botschaft transportiert wird?
 
1. STOFF
Der STOFF sind reale Ereignisse aus dem Leben von Udo Lindenberg. Aus einer großen Menge von Ereignissen habe ich drei Episoden ausgewählt, die mit der DDR zu tun haben:
  1. 1972 erlebt Udo Lindenberg eine kurze Affäre mit einem DDR-Mädchen. Nach dem Ende der Affäre 1972 sieht er dieses Mädchen nie wieder.
  2. 1983 tritt Udo Lindenberg im Rahmen einer DDR-Propaganda-Veranstaltung im "Palast der Republik" auf. Er hatte sich selbst dazu angeboten, um von Erich Honecker eine Genehmigung für eine DDR-Tournee zu erhalten.
  3. 1989 erlebt Udo Lindenberg den Mauerfall in einem Hotel in Hamburg. Er wird nicht aktiv. Er fährt nicht nach Berlin. Er tritt beim Mauerfall und in der gesamten Zeit der Wende politisch nicht in Erscheinung.
 
Diese drei Episoden sind der STOFF für mein Werk. Diese Episoden liegen weit auseinander und sind nicht kausal verbunden. Der Auftritt 1983 passierte nicht, weil Udo Lindenberg etwa das Mädchen von 1972 wiedersehen wollte. Und beim Mauerfall existiert eigentlich gar kein nutzbares Ereignis mit Udo Lindenberg.
Eine FABEL, in der diese drei realen Ereignisse vorkommen und kausal verbunden sind, existiert in der Realität nicht.
 
 
2. FABEL
Aus diesem Stoff - man hätte auch viele andere Episoden auswählen können - habe ich eine FABEL hergestellt. Dafür habe ich die Realität verändert, umgedeutet und neue kausale Zusammenhänge erfunden:
  1. Die Zeit 1972 wird gänzlich weggelassen. Udo Lindenberg lernt das DDR-Mädchen erst bei dem Auftritt 1983 kennen. Das ist eine große Änderung.
  2. Dadurch beginnt eine Affäre, die dann stark gedehnt und bis zum Mauerfall geführt wird.
  3. Beim Mauerfall ist Udo Lindenberg der Eine und Einzige, der die DDR-Bürger in der Freiheit in West-Berlin begrüßt.
  4. Direkt danach trifft er dieses "Mädchen aus Ost-Berlin" von 1983 wieder, was schließlich zum Abschluss der Affäre führt.
 
Die realen Ereignisse werden auf eine spezielle Art und Weise umgedeutet und neu zusammengefügt:
  1. Der Auftritt 1983 wird als wichtige Widerstandsaktion dargestellt. In Wahrheit war es eine DDR-Propaganda-Aktion, die sogar mehrfach im DDR-Fernsehen gesendet wurde.
     
  2. Der Auftritt 1983 wird als einzige Widerstandsaktion dargestellt. Udo Lindenberg wird damit zum unumstrittenen Anführer des Widerstands gegen die DDR-Regierung stilisiert. Und der Mauerfall ist schließlich nur die Endkonsequenz dieses Widerstands. Damit wird behauptet, dass Udo Lindenberg schon mit dem Auftritt 1983 zum Mauerfall beigetragen hätte. In Wahrheit stand die Mauer bis zum Sommer 1989 bombenfest und der Auftritt 1983 hatte keinerlei Bedeutung für den Mauerfall.
     
  3. Es wird dargestellt, dass Udo Lindenberg auch konkret zum Mauerfall beigetragen hätte. Er ist an diesem Tag in Berlin und er greift ins politische Geschehen ein, indem er die DDR-Bürger in der Freiheit begrüßt. Er ist also in absolut herausgehobener Stellung aktiv. In Wahrheit gab es keinerlei Aktivität von Udo Lindenberg beim Mauerfall. Es gab von ihm weder ein Mauerfall-Konzert noch einen Mauerfall-Song noch eine Mauerfall-Resolution. Er hat den Mauerfall nur passiv erlebt. In Hamburg. Er hat keinen konkreten Beitrag zum Mauerfall geleistet.
     
  4. Udo Lindenberg trifft direkt beim Mauerfall das "Mädchen aus Ost-Berlin" wieder. In Wahrheit hat er dieses Mädchen nie wiedergesehen. Und schon gar nicht direkt beim Mauerfall und zufällig auf der Straße.
     
  5. Durch die Erfindung einer Affäre vom Auftritt zum Mauerfall wird ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Auftritt 1983 und dem Mauerfall hergestellt. Ein solcher kausaler Zusammenhang ist in der Realität nicht vorhanden. Udo Lindenberg hat beim Auftritt 1983 niemanden kennengelernt. Und er hat beim Mauerfall niemanden wiedergetroffen.
 
Ich habe Udo Lindenberg nicht erfunden. Auch das "Mädchen aus Ost-Berlin" nicht. Ich habe den Auftritt 1983 nicht erfunden und auch nicht den Mauerfall. Aber ich habe diese Bausteine in eine ganz bestimmte geschlossene dramatische Struktur gebracht, damit die BOTSCHAFT Lindenberg = Mauerfall-Held entsteht. Ich habe diese realen Bausteine ausgewählt, umgedeutet und schließlich auf eine neue und eigentümliche Art und Weise zusammengefügt, sodass aus diesen Bruchstücken eine ganz bestimmte FABEL entstanden ist, ein geschlossenes dramatisches Geschehen mit Anfang, Mitte und Ende, eiine Affäre vom Auftritt zum Mauerfall.
Ausgerechnet beim Auftritt 1983 lernt Udo Lindenberg das "Mädchen aus Ost-Berlin" kennen und ausgerechnet beim Mauerfall 1989 trifft er sie wieder. Das ist keine Dokumentation. Das ist Literatur, eine literarische Verarbeitung realer Ereignisse. In dieser FABEL wurde die Realität zielgerichtet neu gestaltet, um eine ganz bestimmte Wirkung hervorzurufen. Und deshalb ist diese Fabel neu und eigentümlich. Und deshalb muss sie geschützt sein.
 
 
Ich bin sicher, die Zuschauer des Musicals "Hinterm Horizont" werden erkennen, dass diese erfundene FABEL in gleicher Weise in diesem Musical vorhanden ist. Auch in "Hinterm Horizont" wird die BOTSCHAFT Lindenberg = Mauerfall-Held transportiert. Auch in "Hinterm Horizont" passiert das durch eine Affäre vom Auftritt zum Mauerfall.
In "Hinterm Horizont" werden die gleichen realen Ereignisse in gleicher Weise umgedeutet und in gleicher Weise zusammengefügt. Das heißt, es existiert in "Hinterm Horizont" die gleiche erfundene FABEL wie in meinem Werk.
 
Zu dieser FABEL einer Affäre vom Auftritt zum Mauerfall gibt es viele Alternativen. Nur um die Phantasie ein bißchen anzuregen:
  • Udo Lindenberg ist 1983 mit dem Mädchen von 1972 verabredet. Er wartet im Palast auf sie. Aber sie kommt nicht, weil die Stasi eingegriffen hat.
  • Oder das Mädchen von 1972 möchte ihm 1983 den gemeinsamen Sohn zeigen, aber sie wird durch die Stasi daran gehindert und erst beim Mauerfall gelingt die familiäre Wiedervereinigung.
  • Oder das Mädchen von 1983 war von der Stasi auf ihn angesetzt, hat dann aber die Seite gewechselt und 1989 fällt die Mauer, weil beide gemeinsam die Stasi mit falschen Informationen in die Irre geführt haben.
  • Oder er lernt vor dem Auftritt ein DDR-Mädchen kennen, das in Wahrheit aber eine illegitime Tochter von Erich Honecker ist. Wegen ihrer Bitten gestattet Honecker dann zwar den Auftritt 1983, aber er untersagt die Tournee.
  • Oder das Mädchen von 1983 stellt sich als jüngere Schwester des Mädchens von 1972 heraus und Udo Lindenberg muss sich zwischen zwei Frauen entscheiden, die Schwestern sind.
  • Oder er läuft 1983 inkognito durch Ost-Berlin, um das Mädchen von 1972 wiederzufinden und er lernt viele helfende Menschen kennen, die dann 1989 konkret zum Mauerfall beitragen.
  • Oder Udo Lindenberg sucht für seine DDR-Tournee eine Mädchen-Combo als Vor-Band. Er findet in einem Ost-Berliner Club ein paar interessante Musikerinnen. Aber nach dem Auftritt wird die Tournee abgesagt, weil die Schlagzeugerin die Tochter eines hohen Politbüro-Mitglieds ist.
  • Oder das Mädchen von 1972 arbeitet 1983 als Ärztin und Udo Lindenberg braucht ein spezielles Medikament für seine Stimme und so trifft er sie zufällig wieder.
  • Oder er lernt erst kurz vor dem Mauerfall ein DDR-Mädchen kennen, wobei sich herausstellt, dass sie bei dem Auftritt 1983 als FDJlerin oder Fan oder Journalistin oä. dabei war. Beide werden politisch aktiv und schaffen es gemeinsam, dass schließlich die Mauer fällt.
  • Oder das Mädchen von 1972 flieht 1983 mit seiner Hilfe in den Westen, doch es kommt zu keinem glücklichen Familienleben und erst zum Mauerfall finden beide wieder zusammen.
  • Oder vor dem Palast 1983 wird einem jugendlichen Paar von der Volkspolizei ein Lindenberg-Songbook abgenommen, weshalb die Jugendlichen die Songs dann aus der Erinnerung rekapitulieren müssen, was den Übergang zu verschiedenen Ereignissen aus dem Leben von Udo Lindenberg schafft. [Das war Herrn Brussigs ursprüngliches Konzept.]
  • Man hätte das Werk auch auf den Geschenken zwischen Honecker und Lindenberg [Lederjacke, E-Gitarre, Schalmei] aufbauen können oder auf dem Song "Sonderzug nach Pankow" und durch wessen Eingebung dieser Song entstanden ist. Oder auf dem letzten Trabant aus Zwickau, den Udo Lindenberg 1990 von einem ganz bestimmten Mädchen erhalten hat. Oder, oder, oder ...
Ohne Zweifel war es möglich, ein Lindenberg-Musical zum Thema "Lindenberg und die DDR" zu schaffen, ohne die von mir erfundene FABEL einer Affäre vom Auftritt zum Mauerfall zu übernehmen. Aus den vorhandenen Mosaiksteinchen des STOFFES hätten auch gänzlich andere Gesamtbilder geschaffen werden können. Es gab keinerlei dramaturgische Notwendigkeit, ausgerechnet beim Auftritt 1983 eine Affäre beginnen zu lassen und ausgerechnet beim Mauerfall eine Wiederbegegnung herzustellen. Das ist eine freie Entscheidung des Autors bzw. der Autoren. Der Gestaltungsspielraum war in jedem Fall erheblich.
 
 
Mein Fazit:

Jeder darf über "Personen der Zeitgeschichte" ein Musical schreiben. Jeder darf in diesem Musical auch reale Ereignisse aufgreifen und verarbeiten. Jeder darf auch vorhandene Pop-Songs einbauen, das ist einfach nur GEMA-pflichtig. Und es darf auch jeder Udo Lindenberg zu einem Mauerfall-Helden stilisieren.
 
Aber wenn das passiert, indem eine ganz spezielle FABEL erfunden wird, nämlich eine Affäre vom Auftritt zum Mauerfall, dann muss diese ganz spezielle FABEL geschützt sein. Diese FABEL ist eigentümlich, weil ihre BOTSCHAFT neu ist, weil sie deutlich gegen die Realität erfunden wurde und weil es einen sehr großen Gestaltungsspielraum gab.
Diese FABEL ist einfach und elegant und von hoher Quailität. Aber deshalb ist sie nicht gemeinfrei. Ich bin sicher, dass die FABEL des Musicals "Hinterm Horizont" nicht einfach kopiert werden darf. Und das gilt dann ebenso für die FABEL meines Werkes.
 
 
In der Ausformung der HANDLUNG gibt es noch weitere Erfindungen, die in beiden Werken übereinstimmen: